Erfahrungsbericht

Diversity mit Erasmus+ (er)leben

Vom LGBTQ-Projekt zum Jobshadowing für Lehrkräfte: Die Friedensburg-Oberschule in Berlin hat eine vielfältige Schulgemeinschaft und nutzt Erasmus+, um noch inklusiver zu werden.

Schülerinnen und Schüler mit über 80 verschiedenen Staatsangehörigkeiten lernen gemeinsam in der Friedensburg-Oberschule in Berlin. Die Europa-Schule mit bilingualem Schwerpunkt (Deutsch-Spanisch) legt viel Wert auf internationalen Austausch – und dank Erasmus+ ist es auch möglich, allen Schülerinnen und Schülern eine solche Erfahrung anzubieten. Begonnen hat es mit dem Projekt „LGBTQ at School“ – ein Austausch mit Partnerschulen in Spanien, Rumänien und Belgien. Mittlerweile ist die Berliner Schule erfolgreich akkreditiert und organisiert regelmäßig Austausch.

Inklusion und Vielfalt ist ein Schwerpunkt im Erasmusprogramm – aber eigentlich noch mehr als das: Jeder Austausch sollte möglichst inklusiv stattfinden. Dieser Ansatz passt wunderbar zum Selbstverständnis der Friedensburg-Oberschule, erläutert der Schulleiter: „Inklusion heißt nicht, dass es nur darum geht, Kinder mit einer körperlichen oder geistigen Behinderung mitzunehmen. Es geht darum, dass alle eine Chance bekommen, zu partizipieren – das ist viel offener und viel weiter. Natürlich haben wir Schülerinnen und Schüler, die gewisse Nachteile haben. Aber wenn wir eine inklusive Schule sein wollen, dann wollen wir uns um alle kümmern und alle mitnehmen. Das ist für uns selbstverständlich.“

Erasmus Koordinatorin
Lorellei Visan ist Lehrerin an der Friedensburg-Oberschule und zuständig für Austausch mit Erasmus+

„Nach dem ersten Elterntreffen zum LGBTQ-Projekt gab es den Fall, dass Eltern aufgrund des Themas nicht mehr wollten, dass ihr Kind am Austausch teilnimmt. Wir konnten sie aber doch noch überzeugen – und am Ende waren sie begeistert.“

Ein neuer Blick auf die eigene Schule

Der Anstoß kam vom Instituto Educación Secundaria La Rosaleda, der spanischen Partnerschule in Malaga: Wie wäre es, wenn sich die Schülerinnen und Schüler im Austausch mit dem Thema „LGBTQ“ beschäftigen würden? Die englischsprachige Abkürzung steht für „Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender and Queer“ und die Lehrkräfte waren sich einig: Auch für Jugendliche, die sich diesen Gruppen zuordnen, müssen Schulen ein sicherer Ort sein.  
Lorellei Visan koordiniert den Austausch mit Erasmus+ an der Friedensburg-Oberschule. Sie wurde durch das Projekt auch darauf aufmerksam, dass das Thema genderspezifische Gewalt bisher wenig Aufmerksamkeit bekommen hatte: „In Spanien sind sie da viel weiter und das bringt uns natürlich Ideen, was wir noch verbessern könnten.“ Ein konkretes Ergebnis aus dem LGBTQ-Projekt war die Einrichtung einer „Toilette für Alle“ an der Schule, außerdem gibt es seit einem Jahr auch eine Arbeitsgruppe LGBTQI mit Sozialpädagoginnen, die auf das Thema spezialisiert sind.
Schulleiter Sven Zimmerschied hat auch selbst im Rahmen des LGBTQ-Projekts am Austausch teilgenommen: „Ich habe dabei viel gelernt – gerade wie unsere Partnerschulen in Spanien und Rumänien mit dem Thema umgehen war erstaunlich. Man reflektiert sich dann auch selbst und bekommt einen neuen Blick auf die eigene Schule. Meine Wahrnehmung war, dass wir bei diesem Thema schon sehr fortschrittlich sind – aber die spanischen Lehrkräfte haben uns etwas anderes zurückgespiegelt. Deshalb nutzen wir auch verstärkt das Job-Shadowing für Lehrkräfte: Dabei kommt man ins Nachdenken.“

Über den Austausch

Förderfomat: Akkreditierte Schule

Ansprechperson: Lorellei Visan

Mehr dazu auf der Schulwebsite

"Gender Equality": Ein eTwinning Projektkit für die Sekundarstufe

Eine praxiserprobte Anleitung für ein Onlineprojekt zum Austausch über Geschlechterrollen und Stereotype.

Projektkit zum Download
Foto Schulleiter mit bunten Elementen
Sven Zimmerschied leitet die Friedensburg-Oberschule.

„Wir haben sehr unterschiedliche Familien an unserer Schule – Kinder mit Eltern im diplomatischen Dienst genauso wie Jugendliche, deren Eltern Sozialleistungen empfangen. Dank Erasmus+ können wir auch Schülerinnen und Schülern einen Auslandsaufenthalt anbieten, die das anders nicht finanzieren könnten.“

Inklusion und Partizipation zwischen Brüssel und Berlin

Partizipation im Sinne von politischer Teilhabe und Demokratiekompetenz ist ein weiterer inhaltlicher Schwerpunkt des EU-Programms, der besonders im Vorfeld der Europawahl 2024 in den Fokus rückt.

An der Friedensburg-Oberschule gab es dazu einen eigenen Austausch mit einer Partnerschule in Belgien unter dem Motto „Demokratie und Medien“. Jeweils zehn Schülerinnen und Schüler aus Berlin und Brüssel konnten so das EU-Parlament besuchen und an einem Planspiel in der europäischen Hauptstadt teilnehmen, bevor sie im März 2024 gemeinsam in Berlin den Bundestag, das Paul-Löbe-Haus und eine Ausstellung zur „Geschichte des Parlaments“ im Deutschen Dom erkundeten. Kleinere Unstimmigkeiten unter den Jugendlichen nahmen die Begleitlehrkräfte während des Austauschs zum Anlass, um demokratische Prozesse konkret zu üben: Es wurde für jede Gruppe eine Sprecherin gewählt und täglich für die Aktivitäten des vorherigen Tages das Feedback der Jugendlichen eingeholt und besprochen, sodass sich alle einbringen konnten.

Wie haben Sie eine passende Schule für ein Jobshadowing in Dänemark gefunden?
Ich möchte immer etwas lernen. Der Austausch mit skandinavischen Ländern interessiert mich besonders, da ich den Eindruck habe: Da hat man uns Einiges voraus. Meine Kollegin Lorellei Visan hat mich auf die Nærum High School aufmerksam gemacht – wir waren beide begeistert von der Architektur und haben die Schule dann einfach per Mail kontaktiert. Die dortige Koordinatorin hat mir für meinen viertägigen Aufenthalt einen Stundenplan zusammengestellt, Gespräche mit Schülerinnen und Schülern eingeplant und mir alle Bereiche gezeigt, die mich interessierten.

Welche Eindrücke und Anregungen haben Sie aus Dänemark mitgebracht?
Die Nærum High School hat ein sehr modernes Schulgebäude, es gibt überall ansprechende Sitzgelegenheiten und eine wertschätzende Architektur und eine Ausstattung, die Lust macht zu arbeiten. Das können wir so natürlich nicht übernehmen, aber es hat für mich nochmal bekräftigt, wie viel Einfluss der Raum auf das Lernklima hat. Wir möchten die Flure unserer Schule noch besser gestalten und nutzen und im Sommer schicke ich meine Klassen auch gerne nach draußen. Interessant fand ich auch, dass in Dänemark die Schulleitungen nicht unterrichten, sondern eher wie eine Geschäftsführung agieren – sie haben beispielsweise ein Budget für Gehälter und können Lehrkräfte einstellen und entlassen. So haben sie viel mehr Einfluss auf die Weiterentwicklung der Schule. Der Krankenstand ist geringer und mein Eindruck war, dass die dänischen Lehrkräfte zufriedener sind – obwohl sie nur fünf Wochen Urlaub haben. Aber dafür finden die Konferenzen in der unterrichtsfreien Zeit statt.

Sie haben mit Erasmus+ auch schon Schülerinnen und Schüler ins Ausland begleitet und auch an einer Auslandsfortbildung mit Erasmus+ teilgenommen. Wo sind die Unterschiede?
Austausch mit Schülerinnen und Schülern ist aufwändiger, aber gewinnbringender. Aber die Hemmschwelle für ein Job-Shadowing ist natürlich geringer – es erfordert nicht viel Organisation abgesehen von der eigenen Anreise und Unterkunft. Für mich ist Job-Shadowing ein absolutes Highlight und ich kann es nur jedem empfehlen. 2014 habe ich auch im Rahmen von Erasmus+ mit einer Organisation an einer Spanisch-Fortbildung teilgenommen. Das habe ich als nicht so gewinnbringend empfunden, da die Organisation unter anderem viel Geld für touristische Aktivitäten und den Verwaltungsaufwand verwendet hat – es gibt bessere Möglichkeiten, die Mittel einzusetzen.

Foto Lehrerin mit Sprechblase
Luisa Fotopoulus unterrrichtet Deutsch, Biologie und Naturwissenschaften und ist als Mittelstufenkoordinatorin besonders interessiert daran, Schülerinnen und Schüler aktiv einzubeziehen.